Labrador und das „Merle-Gen“ – Genetik die zweite

Es gibt -traurige- Neuigkeiten von der Labrador-Front! –  Nach den „Sonderfarben“ kommt jetzt noch die Merle-Zeichnung!

Seit kurzem werden auch Labradore mit der „Merle“-Zeichnung „gezüchtet“ und über einschlägige Plattformen verkauft. Nicht mehr genug, dass die Sonderfarben „gezüchtet“ werden. Siehe hierzu den Artikel von Frau Dr. Daniela Koppenhöfer (Labrador und die „Krankheit Dilute“ – Genetik verständlich) jetzt gibt es auch noch Labradore mit „Merle“-Zeichnung, welche ich vor einiger Zeit auf einschlägigen Verkaufs-Plattformen gesehen habe. Eine „Sonderfarbe/-zeichnung“ mehr, die ganz sicher nur durch Einkreuzung anderer Hunderassen entstehen kann, wenn wir uns nur etwas mit der Genetik von Fellfarben beim Labrador auskennen (siehe oben).  Bei diesen Hunden kann es sich nicht um reinrassige Labradore entsprechend des geltenden Rassestandards handeln. Allen Hundezüchtern, interessierten Hundebesitzern, die sich auch nur etwas mit der Vererbung von Farben auskennen und beschäftigt haben, ist das „merle“-Gene insbesondere bei Hütehunden ein Begriff.

Wie wir bereits aus dem Artikel „Labrador und die „Krankheit Dilute“ – Genetik verständlich“ wissen, kann es reinrassige Labradore nur in den Farbschlägen braun, schwarz und gelb/blond geben. Deshalb war ich mehr als verwundert, im Internet Labradore mit Merle-Zeichnung zu finden, welche als „besonders seltene“ reinrassige Labradore für einen entsprechenden Preis angeboten wurden. Dies möchte ich nochmals zum Anlaß nehmen, um klar zu sagen, dass es bei der Farbgenetik von Labradoren weder die Sonderfarben noch eine merle Zeichnung geben kann, da  jeder reinrassige Labrador an diesem Locus den Genotyp m/m aufweist.
Fakt ist, dass andere Rassen, welche das Merle-Gene tragen eingekreuzt worden sind, mit den entsprechenden gesundheitlichen Konsequenzen, die mit der Merle-Zeichnung beim Hund verbunden sind.

Deshalb hier nochmals einige Informationen zur Merlefärbung beim Fell des Hundes, welche sich leider ungebremster Beliebtheit erfreut.

Das Merlegene (liegt auf dem Hundechromosom 10 -CFA 10-) kommt bei einigen Hunderassen vor, wobei nur bei  folgenden Rassen  diese Färbung im FCI-Standard anerkannt wird:

  • Shetland Sheepdogs (Sheltie)
  • Collie
  • Border Collie
  • Australian Shepherds
  • Dackel
  • Deutsche Doggen
  • Cardigan Welsh Corgi
  • Pit Bull
  • Catahoula Leopard Dog
  • Norwegian Hound
  • Pyrenean Shepherd
  • Pomeranian
  • Beauceron

Da kann sich jetzt schon mal jeder Gedanken machen, welche Rassen wohl bei den Labradoren eingekreuzt worden sein könnten…..
Diese Fellfarbe zeichnet sich durch eine charakteristische Fellscheckung aus, wobei Flecken von verdünntem Farbpigment zusammen mit Arealen voller Pigmentierung vorhanden sind – auf der Grundfarbe (z.B. schwarz, braun, rot oder fahl) treten unregelmäßige graue und/oder beige Flecken auf. Im Gegensatz zu anderen Typen  der Fellfärbung sind die Merle-Aufhellungen unregelmäßig auf dem ganzen Körper verteilt.
Die Merlezeichnung kann stark variieren: Einerseits im Aufhellungsgrad, d.h. die aufgehellten Anteile im Fell können von einem hellen Silber bis hin zu einem dunklen Schieferton variieren. Andererseits kann die Merlezeichnung auch im Muster variieren. Einige Hunde haben nur wenige kleine Flecken in ihrer Grundfarbe (schwarz bzw. braun), andere haben fast nur grosse Flecken (flächige Zeichnung) ihrer Grundfarbe und nur ganz wenige aufgehellte Stellen, so das sie fast für normalfarbig gehalten werden können.

Ein kurzgefaßter Abstecher in die „Merle“-Genetik, für alle, die es genauer wissen möchten:

Ob eine Merlezeichnung vorhanden ist oder nicht, wird am M-Locus entschieden. Die Merlezeichnung ist verantwortlich für eine partielle Aufhellung der Grundfarbe, die sich in einem zufälligen, zerrissenen Muster zeigt. Ein Hund mit schwarzer Grundfarbe hat ein Muster aus grau-blauen und schwarzen Flächen. Wo die schwarzen Flächen auftauchen und wie viel schwarze Fläche noch vorhanden ist, ist zufällig und kann nicht vorausgesagt werden. Es scheint jedoch Modifizierungsgene zu geben, die für ein intensiveres oder weniger intensiveres Merlemuster verantwortlich sind.

Das Allel, welches die Merlezeichnung verursacht ist (unvollständig) dominant, es wird mit dem Grossbuchstaben ‚M‘ abgekürzt. Das Allel klein ‚m‘ (rezessiv) steht dagegen für eine ’normale‘ Farbe  – keine Merlezeichnung.

M – Merlezeichnung

m – keine Merlzeichnung

Ein Hund mit einer typischen Merlezeichnung hat die Allele ‚Mm‘, er ist also mischerbig (heterozygot) auf M oder er ist reinerbig (homozygot) mit MM-Genotyp. Dadurch entsteht das bekannte Merlemuster. Ein Hund mit der genetischen Ausstattung ‚mm‘ hat keine Merlezeichnung, er ist also vollpigmentiert.

Also:

Das Merle-Gen bzw. der Merlefaktor vererbt sich autosomal intermediär (unvollständig dominant – d.h. es kommt im Fall von Heterozygotie zu einer gemischten Ausprägung beider Allele). Bei einem Hund, der auf das Merlegen heterozygot ist (also Mm, beide Allele trägt) kommen beide Allele mehr oder weniger zum Vorschein. Das Muster das durch den Merlefaktor erzeugt wird besteht aus zerrissenen, zufälligen Flecken, die sich über den Körper verteilen. Dabei wird die Grundfarbe des Hundes (schwarz oder braun) aufgehellt. Die Aufhellung führt bei der Grundfarbe schwarz zu einem Ton von silber bis schiefergrau. Bei der Grundfarbe braun reicht der Ton von hellcreme bis beige. Die Flecken bilden dabei die eigentliche Grundfarbe.

Weiter geht es mit Phantommerle und Cryptic Merle (Verstecke Merle):

Phantom-Merle:
Als Phantommerle werden Hunde bezeichnet, die optisch auf den ersten Blick wie Hunde in der Grundfarbe Schwarz oder Braun aussehen, genetisch jedoch merles sind, d.h. diese Hunde sind genetische „Merles“, zeigen aber eine  so minimale Merlezeichnung, dass diese kaum erkennbar ist oder auch unter weißen Abzeichen versteckt sein kann. Diese Hunde tragen eine oder zwei Kopien der kürzeren Version des Merle-Gens. Nochmal: Ein Phantom-Merle ist also genetisch ein ganz normaler Merle und wird dies auch so vererben. Hier besteht also die Gefahr einer unbeabsichtigten merle x merle Verpaarung.

Kryptic Merle:

Versteckte Merle  sind Merle-Hunde, bei welchen das Merle Muster  im Fell nicht sichtbar ist  (üblich ist die Merle-Zeichnung bei roter, goldener, heller oder cremefarbigen Fellfarben nicht zu erkennen).  Ein versteckter Merle-Hund kann nur durch eine genetische Untersuchung erkannt werden.
Hier handelt es sich um das verkürzte mobile SILV-Gen, es ist eine andere Variante des Gens, die nicht zu einer Merlezeichnung im Phänotyp führt, jedoch genetisch vorhanden ist. Diese Form zeigt sich äusserlich genau wie non-merle. Auch in diesem Fall handelt es sich genetisch um einen ganz normalen Merle und er wird dies auch so vererben. Hier besteht also genauso die Gefahr einer unbeabsichtigten merle x merle Verpaarung.

Im Vergleich zu den klassischen Merle-Hunden wurden bei versteckten Merle Hunden keine ernsthaften Gesundheitsprobleme beschrieben, welche mit dem klassischen (nicht verkürztem) Merle-Allel verbunden sind. Sie haben keine Augen- oder Hörprobleme. Auch Hunde mit zwei Kopien des Cryptic  Merle-Gens (Mc/Mc Genotyp) oder Hunde mit einer Kopie des Cryptic Merle Gens und einem klassischen Allel (M/Mc-Genotyp) weisen keine Gesundheitsprobleme auf. Die richtige Beschreibung der Cryptic-Merle Farbe ist gewöhnlich problematisch bei der Registrierung des Hundes. Diese Hunde scheinen eine normale Verfärbung zu haben und werden folglich unrichtig als Non-Merle Hunde geführt.

 

Gesundheitsrisiken, die mit Merle-Allel verbunden sind

Sowohl bei Merle-Heterozygoten (Mm), als auch bei Merle-Homozygoten (MM) können Gehör- und Augen-Anomalien, inkl. leichter bis vollkommener Taubheit, erhöhter Augeninnendruck, Ametropie (schlechte Refraktionsfähigkeit, „Fehlsichtigkeit“) oder Kolobom auftreten. Bei Tieren mit MM-Genotyp können damit zusätzlich noch Anomalien am Skelett, Herz- und Fortpflanzungssystem verbunden werden.

Diese Hunde haben oft Heterochromia iridis (unterschiedliche Färbung der Iris eines Auges), oft treten bei Merle-Hunden blaue Augen, oder nur ein blaues Auge auf.  Hunde mit Merlefärbung haben auf dem Augenhintergrund sichtbar wenig Pigment, was  das Sehvermögen dieser Tiere beeinflussen kann. Sogenannte Double-Merle werden oft auch mit zu kleinen Augen (Mikrophthalmus) geboren.

Zu den Gehöranomalien kommt es bei Merle-Hunden auch wegen des Fehlens von Pigment in Haaren im Gehörgang.  Die Schallwellen (Längsschwingung der Luftmoleküken) können deshalb nicht mehr  in das Mittelohr und  weiter in das Innenohr des betroffenen Hundes gelangen und infolgedessen kommt es zur teilweisen oder vollkommenen Taubheit.

Homozygote Merle-Hunde (MM) sind sehr fahl, manchmal ganz weiß, die Farbe der Schleimhaut ist auch aufgehellt bis leicht rosa und die Augenpigmentierung ist meistens blau.

Das Tierschutzgesetzt verbietet deshalb in Deutschland die Verpaarungen merle x merle.

Vorbeugung

Um in der Zucht ernsthafte Gesundheitsprobleme zu vermeiden, die bei inkorrekter oder gefährlicher Kreuzung von Merle-, kryptisch Merle oder Phantom-Merle Hunden auftreten können, ist eine genetische Untersuchung auf Merle-Gen sehr empfehlenswert. Eine genetische Untersuchung entdeckt die Merle-, PhantomMerle- oder kryptische Merle-Variante.

Züchter von Rassen, bei welchen die Merle-Färbung beschrieben wurde, sollten sehr vorsichtig sein. Im Wurf sollten alle Welpen, die auf den ersten Blick als „Non-Merle“ aussehen, gründlich untersucht werden, ob sie kein weniger sichtbares Merle-Abzeichen besitzen. Falls solcher Merle-Fleck gefunden wird, ist der Hund keiner Non-Merle, aber ein Phantom-Merle. Insbesondere im langen Haar kann ein kleines Merle-Abzeichen leicht verschwinden und dieser Hund wird in seinem Stammbaum als Non-Merle geführt. Später kann es zur Verpaarung zwischen einem Kryptischen und Phantom Merle kommen und der Züchter setzt sich der Gefahr aus, dass Double-Merle Welpen geboren werden, die meistens schwer gesundheitlich beeinträchtigt sind.

Was bedeutet dies für die Rasse „Labrador-Retriever“.

Alle mit den „Gen-Defekt“ Merle verbundenen Erkrankungen werden auch in diese Rasse „eingeschleußt“ und sind sicherlich nicht zum Vorteil dieser Hunde.

Die Frage nach dem Warum bleibt. Warum müssen wir das wieder einer Hunderasse „antun“ und noch mehr gesundheitliche Probleme kreieren, nur damit wir Menschen wieder etwas „ausgefalleneres“ haben, was sich nicht jeder „leisten“ kann. Da kommt der Gedanke auf „Wird der Hund zum Statussymbol“? Die wenigsten verbinden dies mit „Tierschutz“ und Ethik“.
Nicht genug, dass schon die Sonderfarben „Dilute“ aus irgendwelchen kommerziellen Gründen „geschaffen“ wurden, es geht weiter……Da bekanntlich die Hoffnung zu letzt stirbt, hoffe ich weiter, dass sich dieser Irrsinn nicht fortsetzt und das gilt nicht nur für diese Rasse.

Ich wünsche mir persönlich nur, dass jedem Menschen, der sich sich überlegt, einen solchen Hund anzuschaffen, auch klar ist, worauf er sich einläßt;  was auf ihn und vor allem seinen Hund zukommen kann (nicht muss).
Labrador-Besitzer haben sich bewußt für diese Rasse entschieden und den Labrador Retriever gibt es nun mal nur in den Farben schwarz, braun und gelb/blond.

Und wie heißt es so richtig: Gute Hunde haben keine Farbe und Form (Aussehen) follows Function.

Obwohl solche Themen für mich immer sehr emotional besetzt sind, hoffe ich doch, dass der Tenor in meinem Bericht informativ und neutral ist. Es steht mir nicht zu, über Dinge und/oder Wesen zu urteilen und zu werten

Es geht mir ganz allein darum, Hunden Qualen zu ersparen, die vermeidbar sind!

Beinahe vergessen: Das oben gesagte über die Merle Genetik und die damit verbundenen schweren gesundheitlichen Auswirkungen auf betroffen Tiere gilt natürlich für alle Hunderassen, bei denen der Merle Faktor vorkommt.

Literatur:

http://www.genomia.cz/de/merle